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Geschichte

8. Juni 1974: Beim Jubiläum „100 Jahre Saalbahn“ war mächtig was los in Jena und am Bahnhof Göschwitz.  Das Foto entstand aus dem Festzug heraus. Foto: Andreas Wagner.

Wer eine Reise nach Jena-Göschwitz macht, der kann viel erzählen

Jena hat so einige Bahnhöfe. Je nach Zählweise sind es drei oder auch vier.  Jenas dienstältestes Empfangsgebäude befindet sich heute in Jena-Göschwitz. Selbst das altehrwürdige Gebäude am Westbahnhof wurde erst zwei Jahre nach dem in Göschwitz eröffnet.

Die Geschichte des Bahnhof Jena-Göschwitz ist eng mit der industriellen Entwicklung Jenas verbunden. Lange Zeit war der Kreuzungspunkt von Saalbahn und Weimar-Geraerer-Bahn vor allem  ein wichtiger Umschlagplatz für Güter und Rohstoffe. Mit dem Wachstum der Stadt rückte Göschwitz näher an Jena heran. Seit am Bahnhof auch Straßenbahnen halten, erlebt Göschwitz einen Aufschwung im Personenverkehr. Mit der Tram fahren die Jenaer zwei Minuten bis nach Lobeda und 14 Minuten sind es bis in die Innenstadt. Der Bahnhof am größten Gewerbegebiet Jenas ist heute auch ein Tor zur Universitätsstadt.

Eröffnung am 1. Juli 1876

Die Eisenbahn kam im Jahre 1874 nach Jena als die Saalbahn in Betrieb genommen wurde. Endlich muss man sagen, denn Jena erhielt als letzte deutsche Universitätsstadt Anschluss an das Internet des 19. Jahrhunderts. Bruno Hildebrand setzte sich in Jena maßgeblich dafür ein.

Göschwitz war damals ein selbstständige Gemeinde. Zunächst fuhren die Züge durch. Der Bahnhof wurde zwei Jahre später, am 1. Juli 1876 mit der Betriebsaufnahme der Weimar-Geraer-Bahn eröffnet, die auch das Stationsgebäude baute. Es entstand ein Keilbahnhof. Und zwar direkt an der Stelle, an der sich die Bahnlinien trennen. Fortan hielt auch die Saalbahn in Göschwitz.

Anschluss zur Zementfabrik Prüssing

Die Gleisanlagen waren zunächst bescheiden. Doch bald gab es mehr Bahnsteige und Weichen. In den folgenden Jahren gingen Anschlussgleise zur Frommoltschen Holzfabrik in Burgau  oder zur Zementfabrik der Firma Prüssing in Betrieb.

Eisenbahn-Idylle

Der Bahnhof Jena-Göschwitz auf einer Postkarten-Ansicht um 1895.

Laut Gebäudezeichnungen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, Amt Jena, hatte der Bahnhof im Jahre 1926 zwei Warteräume. Das waren ein großer Saal für Reisende 3. und 4. Klasse und ein kleinerer für Reisende 1. und 2. Klasse. Daneben stand auch ein 25 Quadratmeter großer Speisesaal zur Verfügung. Der Bahnhofsinspektor hatte seine Wohnung im Obergeschoss des mittleren Gebäudeteils. Im Seitenflügel gab es oben Unterkünfte für die Mitarbeiter des Bahnhofswesens. Der Keller ist so massiv gebaut, wie es bei der Eisenbahn damals üblich war. Als Folge des 1. Weltkrieges wurde ein Teil des Kellers zum Luftschutzraum mit Gas-Schleuse umgebaut.

Der Bahnhof um 1930. Links das frühere Postgebäude.

Wasserkräne standen früher auch in Göschwitz. 

Bis zu 22 Gleise!

Den meisten Güterverkehr erlebte Göschwitz in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Fertigteile aus dem Göschwitzer Betonplattenwerk wurden per Zug in die Hauptstadt Berlin transportiert. Und der enorme Warenumschlag für das Kombinat Carl Zeiss Jena machte den Bau eines Container-Umschlagplatzes östlich des damaligen Gleises 22 (!) erforderlich. Nicht zu vergessen, die Züge mit Braunkohle, die über die Anschlussbahn  das Heizkraftwerkes Süd erreichten, das von Winzerla aus einen Großteil der Einwohner Jenas und die Industrie mit Fernwärme versorgte. Sechs Ganzzüge mit mehr als 5000 Tonnen Kohle waren das dementsprechend pro Tag. Aber auch das ist Geschichte.

Unter Dampf: Eine Lok der Baureihe 58 auf dem Weg nach Gera am inzwischen abgebauten Bahnübergang Prüssingstraße. Foto: Werner Drescher

Seit 2010 heißt der Bahnhof Jena-Göschwitz

Zeitweise waren weit mehr als 100 Eisenbahner im und am Bahnhof Göschwitz beschäftigt. Sie arbeiteten im Stellwerk und im Bautrupp, kümmerten sich um Bahnhofsaufsicht, Fahrkarten oder Gepäckabfertigung. Der Lokbahnhof, der Rangierdienst und die Anschlussbahn waren weiterer Einsatzorte. Natürlich hatte der Bahnhof eine „Mitropa“: Die morgens verkauften belegten Brötchen und die Soljanka waren legendär. Den wohl größten Auflauf der jüngeren Geschichte erlebte der Bahnhof am 8. Juni 1974, als das Jubiläum 100 Jahre Saalbahn entlang der gesamten Strecke gefeiert wurde. Bei der Einfahrt des Sonderzuges war wirklich jeder Quadratzentimeter am Bahnsteig besetzt.

Der heutige Ortsteilbürgermeister Neulobedas, Volker Blumentritt, war hier viele Jahre Koch. Im Dezember 2010 erfolgte auf Drängen der Stadt Jena die Umbenennung des Bahnhofs. Seitdem halten die Züge nicht mehr in „Göschwitz (Saale)“, sondern  in „Jena-Göschwitz“.

Das Gleis 4 des Bahnhof Jena-Göschwitz im August 2014.

Geschichte der besondern Züge

Züge sah der Bahnhof eine Menge: Personenzüge und Eilzüge machten Station in Göschwitz. Der Schnellverkehr fuhr meist vorbei wie in den 30er Jahren die „Fliegenden Züge“ der Reichsbahn oder von 2000 bis 2017 der ICE-T der Deutschen Bahn. Einige Züge blieben länger in Göschwitz stehen: Der Talgo-Schlafwagenzug Berlin – München legte nach der Jahrtausendwende immer nachts einen halbstündigen „Schlafhalt“ in Göschwitz ein. Denn die Reisenden sollten nicht zu früh am Morgen in der bayrischen Landeshauptstadt ankommen. Und der Ausstellungszug „Science Express“ stand im Jahre 2009 drei Tage lang am Hausbahnsteig 4 des Bahnhofs.

Zugtafel von IC 2656

Zuglaufschild aus dem Jahre 2004: Zur Geschichte des Bahnhofs gehört eine  Direktverbindung von Göschwitz nach Frankfurt/Main.

Vor gut 100 Jahren war ein  Schnellzug von Aachen nach Wien das Highlight am Göschwitzer Bahnhof. Ab 1908 führte dieses Zugpaar auch Schlafwagen zwischen Cöln und Eger. Ein besonderer Zug der DDR-Reichsbahn war D900/D903. Er  fuhr in den 1980er Jahren  und wurde von Reichsbahnern kurz  „Katze“ genannt. Er rollte von Dresden über Göschwitz nach Katzhütte. Den hierzu notwendigen Sprung von der Weimar-Geraer-Bahn zur  Saalbahn schaffte der Zug, weil am Westbahnhof umgespannt wurde.

Flaschenbier aus dem Mitropa-Wagen

Eine interessante Geschichte zur „Katze“ erzählen alte Eisenbahner. Da im Bistrowagen von D900/D903 oft Radeberger Bier vorrätig war, dass es normalerweise in der DDR nicht so zu kaufen gab, holten die Jenaer in Jena-West ihr Radeberger. Es hatte sich herumgesprochen, dass das Umspannen der Lok eine Weile dauert. Dadurch blieb genügend Zeit für ein Bierchen am Bahnsteig.

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2018  fahren acht Intercity (IC) am Bahnhof ab. Zunächst sind es täglich drei Zugpaare auf der Mitte-Deutschland-Verbindung und ein Zugpaar auf der Saalbahn. Zugleich wurde im Frühjahr 2019 politisch entschieden, dass Jena-Göschwitz der Jenaer IC-Knoten werden soll. Zugleich werden alle Eisenbahnen mindestens einmal an einem Innenstadtbahnhof halten.

Eine Geschichte mit vielen Bahnverwaltungen

Insgesamt fünf Bahnverwaltungen nutzten den Bahnhof. Ab 1. Mai 1874 fuhr zunächst die Saal-Eisenbahn-Gesellschaft (Strecke Großheringen – Saalfeld) über Göschwitz. Ab 29. Juni 1876 war hier auch die Weimar-Geraer Eisenbahn-Gesellschaft unterwegs. Von 1895 ging die Nutzung an die Königlich Preußische Staatseisenbahn über.  1920 übernahm die Deutsche Reichsbahn das Geschäft. Bis 1922 als Deutsche Reichseisenbahn, zeitweise auch als Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, und auch in der DDR blieb es beim Namen Deutsche Reichsbahn. Ab 1994 übernahm die Deutsche Bahn die Regie.

Umbau Bahnhof Jena-Göschwitz

Der neue Bahnsteig 4 des Jena-Göschwitzer Bahnhofs.

Das Empfangsgebäude wurde in den Jahren 1959 und 1996 umgebaut. Ab 1999 fand die Lehre für Kaufleute im Verkehrsservice im „Juniorbahnhof“ Göschwitz statt. Seit Einstellung der Berufsausbildung stand das Gebäude leer. Dazu trug auch der Totalschaden an der Ölheizung. Aber für einen Dornröschenschlaf ist der Standort nicht der rechte Platz. Mehr als  4000 Reisende sind heute täglich hier unterwegs. Und die Industrie wächst. Denn nordwestlich des Bahnhofs entsteht gerade der Technologiepark „Jena21“, dieser dient renommierten Hightech-Firmen als Standort.

Neustart im Bahnhogsgebäude im Jahre 2015

2014 erfolgte der Verkauf des Gebäudes durch die Deutsche Bahn. Diese hatte keine Verwendung mehr dafür. Bemühungen der neuen Eigentümerin um Fördergelder des Freistaates Thüringen für eine schnelle Komplettmodernisierung verliefen erfolglos. Also begann die Bahnhof Jena-Göschwitz KG im Folgejahr mit der Sanierung in Einzeletappen. Im südlichen Gebäudeteil sind seitdem Gewerberäume, ein öffentliches WC und ein Bistro mit Ticketverkauf entstanden. Die im Obergeschoss vorhandene Wohnung wurde saniert. Für Zugbegleiter und Lokführer zweier Eisenbahnen entstanden Aufenthaltsräume. Im Nordteil entstanden ab 2020 die neue Bahnhofsküche und ein Reisezentrum. Ab 2022 sollen auch wieder Übernachtungen im Bahnhof möglich sein.

Am 3. Oktober 2015 wurde das Bahnhofsgebäude wiedereröffnet:  Glückwünsche und Blumen gab es von den Vertretern der benachbarten Ortsteile Göschwitz und Neulobeda und vom Gewerbegebiet für Bahnhofsbetreiberin Stephanie Beier.


Mit der Eisenbahn nach Jena-Göschwitz

Wie Reisende auf der Saalbahn die Fahrt durch Jena nach Göschwitz erleben,  wird in einem Eisenbahnreiseführer von 1981 beschrieben. Die Geschichte wiederholt sich:

„Einen Eindruck von der Schönheit der Jenaer Landschaft bekommt man nicht nur bei einer Wanderung in die Umgebung der Universitätsstadt, sondern schon vom Abteilfenster des Zuges aus. Bei der Fahrt durch  Jena hat der Reisende einen eindrucksvollen Blick auf die neuen Gebäude der Stadt, die zur Friedrich-Schiller-Universität  (Hochhaus)  und den bedeutenden Betrieben Jenas gehören. (…) Kurz hinter  der Blockstelle Ammerbach kreuzt die Strecke Weimar – Gera.  Nun geht es auf viergleisigem Bahnkörper zum Bahnhof Göschwitz, der scherzhaft oft als der eigentliche Hauptbahnhof Jenas bezeichnet wird. Das geschieht neuerdings gar nicht zu unrecht.  Denn seit 1979 halten bereits einige Schnellzüge  im Bahnhof Göschwitz. Zugleich ist die Wohnstadt Jena-Lobeda  weit günstiger vom Bahnhof Göschwitz zu erreichen als vom Saalbahnhof oder vom Westbahnhof.“

Quelle: „Reiseziele für Eisenbahnfreunde/Bahnland DDR“, Autor: Hans-Joachim Kirsche/Transpress-Verlag Berlin, 1981

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